Wer die Schreibmaschine erfunden hat, ist umstritten.

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Wer die Schreibmaschine erfunden hat, ist umstritten. Einer der Pioniere war ein einfacher Zimmermann.

Christopher Sholes aus Milwaukee im US-Bundesstaat Michigan macht sich gut auf den Werbeplakaten aus dem frühen 20. Jahrhundert. Ursprünglich hatte die amerikanische Firma Remington in Milwaukee Waffen und Nähmaschinen produziert. Doch Mitte der 1870er Jahre traten die Ingenieure Christopher Sholes, Carlos Glidden und Samuel Soulé an die Konzernleitung heran und überzeugten sie, die ersten serienmässig hergestellten Typewriters auf den Markt zu bringen.

In einem Dorf im Südtirol war die Schreibmaschine zu jenem Zeitpunkt bereits bekannt: Die amerikanische Sholes & Glidden aus dem Jahr 1874 erreichte nicht das technische Niveau der Modelle von Peter Mitterhofer. In seiner Werkstatt im kleinen Dorf Partschins, wo heute ein Schreibmaschinenmuseum steht, hatte der Zimmermann zehn Jahre vorher eine Schreibmaschine mit Typenkorb erfunden. Er zählt damit zu den Pionieren dieser Innovation, die das geistige und kulturelle Leben revolutionieren sollte. «Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken», schwärmte etwa Friedrich Nietzsche über die Erfindung. Schon 1714 meldete Henry Mill in London einen Vorläufer zum Patent an, 1808 baute der Italiener Pellegrino Turi selbst eine Schreibmaschine, 1832 entwickelte Karl Drais, Freiherr von Sauerbronn und Erfinder der Draisine, eine Schreibmaschine mit Typenhebeln, 1833 ein Franzose in Marseille.

1866 pilgerte Peter Mitterhofer nach Wien an den Kaiserhof von Franz Josef I., um diesem seinen genialen Apparat zu präsentieren. 1300 Kilometer weit trug er die Schreibmaschine auf dem Rücken in seiner Tragkraxe. Der Kaiser gab sich indes skeptisch und ließ das seltsame Objekt von seinen Experten begutachten. Mitterhofer hatte Pech: Die k. u. k. Monarchie war kurz vor seiner Ankunft in Wien von der preussischen Armee bei Königgrätz vernichtend geschlagen worden. Die Stimmung am Kaiserhof war im Keller. Keine gute Zeit für große Würfe. Und als die Presse von seiner Erfindung Wind bekam, hagelte es Spott: «Jetzt fehlt nur noch eine Denkmaschine, die mit der Schreibmaschine in Verbindung gebracht werden kann, und wir haben keine Schulen mehr nötig», schrieben etwa die «Innsbrucker Nachrichten».

Peter Mitterhofer war ein schräger Vogel. Nicht nur als Tischler und Zimmermann, auch als Bauchredner hat er sich einen Namen gemacht: «Er wird hierbei die Ehre haben, durch sein künstliches Blasen aus freiem Munde, mit welchem er sehr täuschend die Töne der Trompete und des Bombardon nachzuahmen im Stande ist, wie auch durch sein Bauchreden, Singen und Pfeifen allen Zuhörern einen vergnüglichen Abend zu verschaffen», heißt es auf dem Programmzettel zu seinen Auftritten.

In der Schreinerwerkstatt gab er sich nicht mit Auftragsarbeiten zufrieden: Weil ihm das Geld für eine Gitarre fehlte, baute er sich selbst eine. Auch ein so genanntes Raffele - eine alpenländische Urform der Zither mit drei Saiten - sowie einen Leierkasten hat er sich gebastelt. Und bei einem seiner Auftritte schleppte er schließlich ein besonders skurriles Utensil auf die Bühne: ein «hölzernes Glachter» (Gelächter). Ein tragbares, klavierartiges Gebilde, bei dem Hämmerchen auf Holzblättchen schlagen und Töne erzeugen, die an menschliches Gelächter erinnern. Experten vermuten, dass dieses Tasteninstrument Mitterhofer später zur Erfindung seiner Schreibmaschine inspiriert hat.

Die Idee für die Schreibmaschine kam ihm im Gefängnis: Im «Englwirt», der Dorfkneipe von Partschins, hat Peter Mitterhofer eines Abends über seine Schwierigkeiten mit dem christlichen Glauben geklagt. Dummerweise saßen auch der Dorfpfarrer und der Bürgermeister gerade dort beim Bier, und Mitterhofer wurde für seine «blasphemischen Äußerungen» eingesperrt. Mit einfachstem Werkzeug konstruierte er in den 1860er Jahren fünf unterschiedliche Schreibmaschinenmodelle. Die beiden ersten waren fast ausschließlich aus Holz mit so genannten Stechschriftbuchstaben, dann folgten drei Metallapparate, die nach dem Typendruckprinzip funktionierten. Bei den Holzschreibmaschinen bestanden die Buchstabenstempel noch aus einzelnen kleinen Nadeln, die, wenn man den Hebel drückte, kleine Löcher ins Papier stanzten. Für die Typendruckmaschinen verwendete Mitterhofer hingegen bereits richtige Buchstabenstempel.

Zahlreiche Bestandteile von Mitterhofers Erfindung waren ihrer Zeit voraus. Die so genannte Mehrschrittschaltung etwa: Er hat bereits eine raffinierte technische Lösung gefunden, um die Abstände zwischen den einzelnen Druckbuchstaben gleich groß zu halten, obwohl etwa ein I bekanntlich weit weniger Raum einnimmt als ein W.

Von Wien aus hätte seine Erfindung ein breites Publikum finden können, doch die Sachverständigen am Kaiserhof machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Eine «eigentliche Anwendung dieses Apparates steht wohl nicht zu erwarten», heißt es in ihrem Gutachten. Sie kamen zum Schluss, dass man mit einem solchen Instrument «niemals wird schneller schreiben können als mit der Hand». Gönnerhaft bedachte Kaiser Franz Josef I. Mitterhofer zumindest mit 200 Gulden.

Peter Mitterhofer gab nicht auf: Ein paar Jahre darauf sprach er mit einem verbesserten Modell erneut am Wiener Kaiserhof vor. Franz Josef I. kaufte ihm das Modell für weitere 150 Gulden ab - und ließ es anschließend in der Sammlung des Polytechnischen Instituts, dem heutigen Technischen Museum in Wien, verstauben.
(Mitterhofer baute 5 verschiedene Schreibmaschinenmodelle:  Seine ersten beiden Modelle bestanden bis auf den Typenhebelkorb vollständig aus Holz. 1866 baute er ein drittes Modell mit dem er sich zu Fuß nach Wien begab um vom Kaiser eine Förderung zu erbitten. Mitterhofer erhielt auch tatsächlich 200 Gulden . Bis 1869 entwickelte er nun 2 weitere Modelle diese überwiegend aus Metall und machte sich erneut auf den Weg nach Wien. Sein fünftes Modell wurde für 150 Gulden gekauft und als Geschenk des Kaisers in die Modellsammlung des Polytechnischen Instituts aufgenommen. Danach verlor Mitterhofer das Interesse an einer Weiterentwicklung er machte auch keine Versuche seine Erfindung zu vermarkten.)

Hölzerne Waschmaschine

Peter Mitterhofer war schwer getroffen. Entmutigt verkroch sich der Tüftler in Partschins. Doch die Erfinderei hängte er nicht an den Nagel: Als seine Frau schwer erkrankte und Mühe bekam, den Haushalt zu führen, konstruierte er etwa eine hölzerne Waschmaschine mit Kurbel für sie. Auch eine Art Fleischwolf für die Küche hat er gebastelt.

In der Dorfkneipe sagte er noch gelegentlich Gedichte auf oder sang der Wirtin Lieder vor. Mit den spärlichen Einkünften aus der Tischlerei konnte er keine großen Sprünge machen. Der Misserfolg am Kaiserhof lastete bis zu seinem Tod wie ein Schatten auf seiner Seele. Im August 1869 schreibt er ein trotziges Gedicht auf seinem vierten Modell:
«Schreibmaschinen danken rechtig, Ihren Ursprung in Meran, achtzehnhundertvierundsechzig sann sie da ein Zimmermann.»

Die Sholes & Glidden von 1874 ähnelt den Modellen Mitterhofers stark. Viele PartschinserInnen vermuten daher, dass die Herren Sholes, Glidden und Soulé sein Modell in Wien gesehen und die Idee gestohlen hätten. Dabei konnten sie zweifelsfrei belegen, dass sie Wien gar nie besucht hatten. Wahrscheinlicher ist wohl, dass die Amerikaner - unabhängig von Mitterhofer - schlicht eine ähnliche Idee hatten wie er und andere zuvor.
 

Quelle: WOZ-Die Wochenzeitung, 19.5.2005

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